From august 25th 2007 till februari 1st 2008 I will stay in India ...

Mittwoch, 14. November 2007

In letzter Zeit

Steffis Geburtstag:
Am Abend vor Steffis Geburtstag sind wir, Steffi, Sabine (eine Mitbewohnerin von der AWO) und ich, gemütlich in einem italienischen Restaurant essen gegangen. Es gab leckere Tintenfischringe und Garnelen. Mmmhhh … das schmeckte natürlich super lecker und man konnte für einige Minuten vergessen, dass wir in den nächsten Tagen wieder nur gekochten Reis mit scharfer Soße essen werden.
Danach genossen wir die entspannte und ruhige Atmosphäre am Strand. Das Meeresrauschen erinnerte mich stark an Strandausflüge in meinem geliebten Santa Cruz und als ich in den Himmel schaute und die Sterne sah, dachte ich natürlich an zu Hause. Spätestens als ich ein Flugzeug über uns fliegen sah, bekam ich natürlich auch ein bisschen Heimweh.
Kurz vor Mitternacht beschlossen wir den Heimweg anzutreten und da es sich in Indien nicht gehört für Frauen um die Zeit am Strand rumzulaufen, wurden wir von einem indischen Polizisten ermahnt: „No women on the beach, after 8 o’clock!“ Er schaute uns grimmig an und wir beruhigten ihn mit einem: „We are on the way home.“ Da wurde mir wieder bewußt, dass ich doch in Indien bin und nicht in einem europäischen Land, wo Frauen um kurz vor Mitternacht alleine rumlaufen können, ohne in „Gefahr“ zu sein.
Auf der Hauptstraße warteten wir verzweifelt auf eine Rikscha, um so rechtzeitig zu Hause anzukommen und auf Steffis Geburtstag anzustoßen. Leider war just zu der Zeit kein gelbes Dreiradvehikel in Sicht. Für uns hatte das Warten am Straßenrand keine große Bedeutung und wir wären im Nachhinein nicht auf die Idee gekommen, was die männliche Population in diesen Warteminuten von uns gedacht hat. Nach über fünf Minuten fuhr ein Auto an uns vorbei, aus dem ein junger, westlich gekleideter Inder ausstieg und uns in gutem Englisch belehrte: „Listen, I don’t want to flirt with you! You’re not in a safety place. It’s too late for women to be on the road and the Indian men may think you are prostitutes.” Ich muss gestehen, dass ich die Situation nicht ernst nahm, aber als uns drei Männer von der gegenüberliegenden Straßenseite entgegen kamen wurde ich in die Realität geholt. „They will come to this side of the road. Just say you’re friends of mine.“ Als die Männer nun über die Straße liefen, sagte Sabine nur: “Wir gehen.” Und da sah ich schon wie meine Füße einen Schritt nach dem anderen setzten. Ich fühlte mich sicher, aber ich kann nicht beschreiben warum. Vielleicht lag es an der freundlichen und vertrauensvollen Art des Inders, vielleicht aber auch nicht. So kam es, dass Steffi ihre Glückwünsche in einer Rikscha erhielt und wir später auf dem Dach eines Hauses auf ihr neues Lebensjahr prosteten.

Flashs/Filme:
Gestern lief ich nach Feierabend zum Tanzunterricht. Das kleine Stück zwischen Bungalow und dem Tor hinter dem das hektische Indien beginnt, kam mir vor wie in einem Film. Wir nennen es des öfteren auch flash, obwohl es vielleicht nicht die richtige Bezeichnung ist. Jedes einzelne geistig und körperlich behinderte Kind flog wie in Zeitlupe an mir vorbei. Alle Kinder machten sich gerade auf dem Weg nach Hause. Ich sah in den Augenwinkeln noch die ausgestreckten Hände und hörte von mehreren Seiten „Aunti, aunti“, „Bye“, „How are you?“ Im Hintergrund wurden meine Schritte von muslimischen Gesängen aus der Nachbarmoschee begleitet und ich fragte mich: „WO BIN ICH?“
Auf dem Heimweg nahm ich dann nur beiläufig die christliche Messe wahr, deren Musik ebenfalls immer bis auf das Gelände vom LHC zu hören ist und ich fragte mich abermals: „WO BIN ICH?“.

Therapie:
Viki kam vorgestern wie verändert von der Divalizeit in der Familie ins LHC zurück. Er war total abwesend und befand sich mental völlig in seiner eigenen Welt, so dass keine Kontaktaufnahme von außen möglich war. Heute war er sehr kommunikativ und schaute mich sogar einige Male an, was nicht selbstverständlich ist. Das Beste war jedoch, dass er einen vorbeilaufenden Hund beim Namen nannte. Sicherlich werdet ihr jetzt grinsen und denken, was ist das für ein Fortschritt?! Doch es ist wirklich etwas Seltenes und Besonderes! In jedem dieser Momente werde ich etwas sentimental und denke schon an die erste Zeit in Deutschland, in der ich meine drei lieben Kinder mit Sicherheit vermissen werde.

Anstoss in der Halbzeit:
Gestern Abend waren wir nach der Abreise von Tanja, einer weiteren Mitbewohnerin, ziemlich aufgedreht und konnten nicht schlafen. Unter unseren Moskitonetzen quatschten wir sehr lange ueber alles Moegliche. Als uns nochmals bewusst wurde, dass wir uns genau zur Haelfte der ganzen Zeit in Indien befinden, erinnerten wir uns, dass sich noch eine Flasche Tequila (Steffis Geburtstagsgeschenk) im Zimmer befindet und ich hatte auch noch eine Flasche Cola. Daher lag es nicht fern, dass wir beides ungekuehlt mixten und uns ueber eine Stunde lang Fotos der letzten 2 1/2 Monate anschauten.

Heute Morgen:
Headache! Sickness! Children's Day! Luftballons aufblasen!
--> Nachtrag (15.11.2007): Gegen Mittag fuehrten die Lehrer auf der Buehne etwas vor. Jeder sang und tanzte fuer die Kinder, bis ... auf einmal die Bezeichnung "the German Interns" zu hoeren war... dann "Patricia". Ich kippte fast vom Stuhl! Dann hoerte ich die Namen der anderen drei Praktikantinnen und mir wurde bewusst, dass wirklich wir 4 auch gemeint waren. Wir sollten den Kindern ebenfalls etwas vorfuehren. Ohne jegliche Vorbereitung und Planung sangen wir schliesslich "Alle meine Entchen", "Ein kleiner dicker Tanzbaer" und "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne". Innerhalb von 5 Minuten erfanden wir eine Choreographie und 10 Minuten spaeter standen wir mit zwei Mikrofonen auf der Buehne! ... Jubelnde Kinder und grinsende Lehrer... What a fun!

Ich wünsche Euch eine erfolgreiche und nicht zu kalte Woche!
Sonnige Grüße aus Chennai,
Patricia